The Party will never End

 

Wer kennt es nicht, an einem sehr warmen Sommertag im Juni, alles blüht wunderbar, man verabredet sich mit Freunden für ein gemütliches Beisammensein.

Der Grill ist angeschürt, die Bratwürste liegen schon auf dem Rost, jeder hat sein erstes Getränk in der Hand. Der eine Rotwein, der andere Weißwein, die anderen eine Schorle und "Don", wie immer, trinkt alles durcheinander. Es läuft sehr geile House-Musik im Hintergrund . Alle unterhalten sich angeregt und vom Lagerfeuer hört man das Holz etwas leise vor sich hin knistern.

Die Party erreicht ihren Höhepunkt gegen 2 Uhr und im Prinzip hat jeder schon so viel geladen, dass man meinen könnte, die Party ist fast zu Ende. Aber dies war ein Irrtum.
Gegen 5 Uhr ist es dann soweit, alle bestellen sich, wie es sich gehört, ein Taxi, damit die Gäste nach Hause gebracht werden. Gesagt, getan alle verlassen die Party und fuhren nach Hause


Am darauffolgenden Morgen, haben alle wieder Frühdienst außer ich, denn ich habe Nachtdienst und kann länger schlafen. (zum Glück) Da ich den ganzen Tag durchgeschlafen habe, bin ich gegen 19 Uhr aufgestanden, ging duschen, machte mir noch etwas zu essen im Hotel und fuhr dann auf Arbeit. Angekommen auf der Arbeit merkte ich schon, dass die Stimmung etwas gedrückt gewesen ist und einige vom Personal sich komisch verhalten haben. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich fremd schämen aus irgendeinem Grund. Aber ich wartete mal, was der Abend oder die Nacht noch so bringt.

Ich ließ mir die Übergabe machen von den Patienten, was so tagsüber gewesen ist und das Personal ging ach, wie soll ich es sagen, wie immer 45 Minuten früher. Mal so am Rande, dies ist Arbeitszeit Betrug dem Arbeitgeber gegenüber. Aber mir sollte es Recht sein. Bin schließlich nicht dort angestellt, sondern nur gemietet.
Ich fing an alle Tage Infusionen und Antibiose raus zu schreiben .Anschließend richtete ich für den Frühdienst die ganzen Kurzinfusionen.

Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe gewesen, dies zu machen, genauso wenig wie für die ganze Station Tabletten zu riechen. Aber ich bin wie immer ein echt sozialer Mensch und denke an meine Kollegen.

Als ich damit fertig war, startete ich meinen Rundgang. Das heißt, für 24 Uhr die Antibiose an zu hängen bei den Patienten. Die frisch Operierten nochmal Vitalzeichen zu messen sowie Blutzucker. Ich lasse mir mit Absicht viel Zeit beim ersten Rundgang.

Ich frage sie immer, ob sie Schmerzen haben, wie Ihr Tag war usw. Meist ergibt ein Wort das andere und Schwupps hat man eine ordentliche Kommunikation und eine zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut.


Merke: Je mehr du von dir preisgibst, desto sichtbarer wirst du für die Patienten. Menschen merken schnell, ob man ein Schauspieler, Blender oder dergleichen ist, oder ob man es total Ernst und ehrlich meint.


Das nächste ist, umso länger du dir beim ersten Rundgang Zeit lässt, umso wohler fühlen sich die Patienten, da ich ihnen Sicherheit in der Nacht vermittle. Zum Beispiel mit den Worten "Ich bin die ganze Nacht für Sie da, sollte irgendetwas sein"
Und siehe da, die Patienten melden sich gar nicht mehr, weil sie sich in Sicherheit wiegen.
Im Gespräch lege ich immer Wert auf eine ordentliche Kommunikation mit Respekt, Empathie, ein wenig Witz und Charm an den angebrachten Stellen.

Meist frage ich, wie es Ihnen geht. Pat denen es schlecht geht sagen meist nur "es geht schon" oder "sie können mir eh nicht helfen". Ich fand, das war ein gefundenes Fressen gewesen für mich.
Ich setzte mich prompt auf den Stuhl am Tisch, die Patientin vor mir liegt im Bett, schaut  mich sehr traurig an und ich hake einfach nochmal nach.
Mit den Worten, "Mir fällt auf, dass Sie traurig sind oder es Ihnen nicht gut geht". Ich nehme Sie mit all meinen Sinnen wahr, ich höre, dass Sie schluchzen, ich sehe die Träne auf ihrer Wange, die von ca. 3 Minuten gelaufen sind,  bevor ich das Zimmer betreten hatte. Und ich habe gute Ohren, in Ihrer Stimme ist das Gewisse Etwas, was jeder traurig ist .

Bitte erzählen Sie mir, was sie bedrückt. Ich sage immer gleich dazu, dass ich nicht aus Spaß an der Freunde Krankenschwester geworden bin. Ich nutze die Weibliche Form gern, um herauszufinden ob da ein lächeln kommt und meist ist das auch so, sagen wir mal zu 99,5 %

Dann fing sie an zu lächeln und sagte mir, dass Sie Ihre Diagnose heute bekommen hätte, dass es keine Hoffnung geben wird. Dass sie mit einer Chemotherapie Zeit schinden kann, der Tumor ist inoperabel. Sie schaute mich mit sehr traurigem Blick an und fing an zu weinen.
Leider bin ich auch sehr am Wasser gebaut und musste aufpassen, dass ich als Pflegekraft nicht auch noch gleich mit anfange. Sofort reichte ich Ihre Taschentücher für die Tränen.
Ich sagte zu Ihr " Wissen Sie, ich bin selbst sprachlos, das ich es selber nicht fassen kann, ich kann nichts darauf sagen, da mir selbst die Worte fehlen. Phrasen wie zum Beispiel , es wird schon wieder oder naja, jetzt malen Sie mal den Teufel nicht an die Wand usw. haben am Anfang meiner Karriere im Krankenhaus einige Menschen das Leben gekostet *kleiner Scherz*

Das Gespräch war sehr emotional gewesen und wollte einen Rat von mir haben, aber wie alle bekanntlich wissen kann ein Rat auch ein Schlag sein! Deswegen heißt es Ratschlag!
Sie frage mich, was sie machen soll bzw. was ich machen würde, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Ich antwortete darauf.

Wissen Sie was, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich meinen Mann nehmen, zwei Tickets buchen und um die Welt reisen. Ich würde mein ganzes, hart erarbeitetes Geld mit meinem Mann auf den Kopf hauen. Und sagte gleich noch dazu, dass mein Mann im Fall des Falles finanziell versorgt ist. und ich alle enterbt habe und mein Vermögen mein Mann erhält

Wie jeder bekanntlich weiß, das letzte Hemd keine Taschen......



Krankheit:

Die mittlere Überlebenszeit für unbehandelte Patienten mit Peritonealkarzinose beträgt ab der Diagnose ca. 2-6 Monate, abhängig vom jeweiligen Tumor. Sollte der Patient Chemotherapie erhalten, sind meist 1-4 Jahre Irrtümer nicht ausgeschlossen.
Es gibt Krankheiten, die sind leider nicht heilbar, man kann den Patienten nur Lebenszeit verschaffen und ihnen das Leben so erträglich wie möglich machen.

Gleich vorab: ich selbst möchte weder eine Chemo, noch Bestrahlung noch eine OP, sollte ich einmal einen unheilbaren Tumor haben und der nicht mehr reversibel ist! Ihr fragt euch nach dem Grund? Die meisten Chemos greifen Schleimhäute an, kranke Zellen legen zwar einen Wachstums-Stopp ein und reproduzieren sich langsam, aber es werden auch viele gesunde Zellen zerstört. Alle Schleimhäute gehen kaputt, Mundschleimhaut: Man kann nicht mehr richtig essen vor Schmerzen, Darmschleimhaut geht kaputt man fängt an rektal zu bluten, Es wird einem ständig übel und man Kotzt sich die Seele aus dem Leib. Ja klar gibt es Antiemetika und dergleichen, aber am meisten leidet die Psyche darunter und das sehr stark.

Und soll ich mir das alles freiwillig antun "all das nur dafür, dass du ein Probande in einer Studie bist"?!?!


Mit Sicherheit nicht !!!!


Selbst beim schreiben, wenn ich an diese Situation noch nachdenke könnte ich heulen aber ich kann nicht mit jeden Patienten mit sterben, denn dann wäre ich schneller ein Emotionales Wrack wie ich denke könnte oder ich wäre so, wie unsere Ausländischen Mitarbeiter, kalt, angerührt usw.
Schon wenn die immer sagen, dass sie ein gutes Herz haben, denke ich mir immer "Gerade du, du bist der Teufel in Person, du und ein gutes Herz"? Das einzige Herz, was du hast, ist dann angestellt, wenn die Patienten entlassen werden und 50 – 100 Euro Trinkgeld in die Kaffeekasse tun. Selbst da ist das Lächeln beim "Danke sagen" schon gelogen und unecht.


Weiter im Text


Ich habe mich sehr lange mit dieser Patientin unterhalten,

Durch dieses Gespräch habe ich sie aus der momentanen, traurigen, hoffnungslosen Situation mit Worten herausgeholt. Dass sie dennoch irgendwie das Lachen angefangen hat, fragte mich private Dinge, wie lange ich schon verheiratet bin. Ich sagte zu ihr, wissen Sie, ich war schon mal verheiratet, aber das war eher ein Probelauf gewesen, dass ich alles beim nächsten Mal richtig mache!
Patienten interessieren sich ja auch für die Pflegekraft, unabdingbar Ihrer Diagnose oder wegen, was Sie sonst noch zu mir kommen ins Krankenhaus.
Alle Patienten sind sehr aufmerksame Wesen, die beobachten ohne zu Werten und zu Urteilen, so kam es dazu das die Patientin mich fragte
"Sagen sie mal Herr Steffen" ich hasse es wenn mich Leute mit Herr ansprechen. Mir ist lieber "Steffen-sagen sie mal, Steffen- könnten sie mal bitte" usw. Das Wort "Herr" fand ich immer schon komisch, aber egal.

Sie sagte, dass sie das Gefühl hatte, dass heute morgen eine Schwester mit bonden Haaren Pflegeschwanz etwas komisch war, nett aber komisch.
Ich lasse mich da ja nicht lumpen und wollte wissen, was die Patientin meint und fragte nach, was genau meinen Sie mit dem Wort komisch?.
Naja , antwortete Sie, Also ich glaube zu denken oder ich vermute, dass diese Schwester einen kleinen sitzen hat. Mir war das so peinlich gewesen , dass ich mich fremd geshämt habe. Mir war schon klar gewesen wem die Patientin gemeint hat aber ich kann ja nicht sagen" ach ja die olle Spritkanne, die hebt gerne mal einen und kommt besoffen auf Arbeit"

Musste mich schon etwas dumm stellen und sagte zur Patienten,

Ich möchte meine Kolleginnen nicht zu nahe treten, ich weiß nicht, was sie so in Ihrer Freizeit machen usw. Naja , fragte die Patientin aus heiterem Himmel, ob "DON PROMILLO" morgen wieder zum Dienst kommt. Ich musste mir soooo das Lachen verkneifen und sagte, ach sie meinen die Krankenschwester XY wegen den blonden Haaren und Pferdeschwanz, ja die meine ich äußert die Patientin. Ich sagte ihr nein, sie hat jetzt ein paar Tage frei. Sie antwortet "Zum Glück".


Als unser Gespräch langsam dem Ende entgegen ging, fragte ich Sie, ob Sie noch etwas benötigt für die Nacht, sie sagte nein Danke, anschließend sagte sie "Wissen Sie Steffen, Sie sind eine sehr empathische Persönlichkeit, ehrlich, direkt und liebevoll". Das ging natürlich runter wie Öl. Des Weiteren sagte die Patientin zu mir, "Warum ich hier eigentlich noch arbeite, ich sei für eine höhere Position geboren". Ich sagte zu ihr: Wissen Sie irgendwann, werde ich nicht mehr hier sein und etwas anderes beruflich machen. Ich habe noch so viele Ideen und muss selbst herausfinden, was ich gern machen möchte und mit welchen Mitteln und auf welchen Weg ich dorthin komme. Sie erwiderte: Warten Sie nicht zu lange, sehen Sie mich an, 2 Jahre ist es her, dass ich in Rente gegangen bin, ich dachte, ich könnte noch so viel machen und erleben und nun diese schreckliche Diagnose.


Ich sagte nur "Kommt Zeit, kommt Rat und dann das Attentat" Mit Attentat meinte ich, dass ich zum Ziel komme auf irgendeinem Weg. Ich verabschiedete mich von ihr und sagte, sie könne sich jederzeit melden, wenn sie Gesprächsbedarf haben. Sie sagte, " Danke, das werde ich."

In Ihrem Gesicht habe ich die Zufriedenheit gesehen, die dieses Gespräch bewirkt hat. Sie hat sich aber nicht noch einmal gemeldet und die ganze Nacht verlief sehr, sehr ruhig.

Ende des Kapitels